Reif für die Insel

Eine Urlaubsgeschichte

oder

Zypern - die -Insel im Mittelmeer

(Für Insider: Atlantis lebt !!!)

 

 

 

Inhalt:

Vorwort

1. Poseidon 9. Apollo

2. Ares 10. Artemis

3. Dionysos 11. Marathon

4. Eros 12. Sonja

5. Zeus 13. Hera

6. Aphrodite 14. Athene

7. Hermes 15. Hestia

8. Persephone Epilog

Vorwort

Die Ägypter wollten sie,

die Römer wollten sie,

die Christen, die Franken,

der Fürst von Venedig,

die Türken, die Briten, die Griechen.

Und wir wollten hin

- hinfahren -

nach Zypern.

Am Anfang der Planung für eine Reise nach dem Abitur war die Rede von einer ganzen Gruppe, das Ziel: Ägypten. Die Anschläge von ein paar wildge- wordenen Terroristen ließen die besorgten Eltern aufheulen. Okay, alles klar, nicht nach Ägypten.

Wohin dann ?

Auf eine Insel.

Aha, etwas präziser geht es nicht ?

Naja, Korsika, Sardinien, Rhodos, eine andere griechische Insel oder Zypern.

Wieso Zypern ?

Naja, Zypern eben. Es ist eine Insel, liegt nahe an Ägypten, und Augsburgs Bürgermeister fährt auch hin.

Gesagt, getan.

1.Tag P o s e i d o n

(Gott des Meeres, auch Gott der Pferde, Bruder des Zeus)

Die Reisegruppe hatte sich auf zwei Leute verkleinert, die am 1.9.1995 um 8.15 Uhr abflogen - Richtung Südosten. München wurde mit 9°C und Regen

zwei abschiedsgeplagten Elternpaaren und einem Selbstmord-aus-Sehnsucht gefährdeten Jungen zurückgelassen. Zypern empfing Sonja und Kerstin mit Sonnenschein, 30°C und einer TUI-Reiseleiterin mit Namen Sabine. Sie fand Zypern als Urlaubsziel supertoll, Paphos als Stadt gut gewählt und die Reise-

broschüre von TUI - die sie verteilte - die Krönung aller wunderbaren Dinge, "denn wir haben uns viel Mühe gegeben und es steckt sehr viel Arbeit da- hinter."

Die meisten Reisenden, so auch Sonny und Kerstin, quittierten den Rede-

schwall mit einem herzlichen Ist-ja schon-gut-wir-glauben-es-Lächeln, da sie noch viel zu erschöpft vom Flug waren.

Apropos Flug, alles verlief ohne Turbulenzen, nur das Wetter wechselte. Kein Wunder, eine Condor, made by Boeing, vom Typ 767-300 ER, mit 269 Sitz-

plätzen, 9 Mann Besatzung, einer Länge von 54,94 m, einer Höhe von 15,85m und einer Spannweite von 47,57 m, einer Nutzlast von 24800 kg, einer Kraftstoffkapazität von 91380 Litern, der maximalen Flughöhe von 13137 m und einer Reisegeschwindigkeit von 850 km/h, ... ist eben nicht so leicht aus der Bahn zu werfen.

Kerstin war jedenfalls heilfroh ihren allerersten Flug - in dem dafür vorge-

sehenen Gerät und nicht auf die Nase - gut hinter sich gebracht zu haben.

Auch das Hotel Porto Paphos überraschte die zwei Augsburger Mädels positiv. Zimmer 206 war geräumig und komfortabel eingerichtet, und der Meerblick konnte sich sehen lassen. Das neue "Zuhause" wurde erstmal gründlich auf Funktionstüchtigkeit der Lampen und Steckdosen, des Radios und der Klimaanlage überprüft und dann in Beschlag genommen, sprich sämtliche Kleidungsstücke, Waschutensilien, Schuhe ... eingeräumt.

Nachdem dieser hausfrauliche Schub überwunden war, gewann die Aben- teuerlust die Oberhand. Die erste Erkundungstour führte natürlich ans Meer. Doch weil die Sonne gar so unbarmherzig brannte, und das Geld knapp war, mieteten sich Kerstin und Sonja keinen Sonnenschirm am Strand, sondern benützten die kostenlosen am Swimming-Pool des Hotels.

Eine vorläufige Hochrechnung über die Altersverteilung der anderen Gäste ergab ein Durchschnittsalter von 40 Jahren. Dies bestätigte sich dann auch beim abendlichen Büffet, das um 19.30 Uhr fast zu spät für die ausgehungerten Mägen kam. Souverän überwandten Sonja und Kerstin ihre Unkenntnis über den Ablauf des Abendessens, indem sie sich bei jeder Menschenansammlung hinten anstellten und so zu einem Salatteller, Haupt- speise und Nachtisch kamen. Getränke und Suppe wurden von Kellnern an den Tisch gebracht.

Die Speisen schmeckten teilweise etwas eigenwillig und ließen sich auch nicht zweifelsfrei identifizieren. Trotzdem blieb nichts auf den Tellern zurück. Kerstin mußte allerdings entsetzt feststellen, daß sie doch tatsächlich einen Salat mit Kapern gegessen hatte und verzichtete deshalb lieber auf den Nachtisch, bevor ihr noch so ein Irrtum unterlaufen konnte.

Sonja hingegen trennte sorgfältig die Weintrauben von ihren Kernen,die - als störend ausgemustert - in den Aschenbecher wanderten. Es sollte nicht zum letzten Mal gewesen sein, und auch Kerstin wurde eine Wiederholungstäterin in Sachen Kapern.

Um etwa 20.30 Uhr brachen die Zwei zur Eroberung des nächtlichen Kato Paphos auf. Eine Bar an der anderen, ein Restaurant am nächsten, und Ge- schäfte mit Souvenirs, Souvenirs - überall Neonlicht, Reklame, Musik.

Sonja und Kerstin schlenderten gemütlich umher und kauften sich ein-

gedenk gutgemeinter Ratschläge und Ermahnungen ihre erste Trinkwasser- ration.

Den ersten Zypriot lernten sie auch kennen, aber nicht lieben. Andreas wollte sie nämlich unbedingt zu einem kostenlosen Tequila in seiner Robin Hood Bar überreden. Sonja und Kerstin wollten lieber nicht und machten sich mit einem liebenswürdigen "We don’t know yet. Perhaps later." aus dem Staub. Diesen Satz würden sie noch oft wiederholen müssen, denn schließ- lich ist man ja zu gut erzogen, - und zu geschmeichelt ? - um einfach "NEIN, du gehst mir auf den Wecker" zu sagen.

Wieder im Hotel verzogen sich Sonja und Kerstin wegen der angenehmeren Temperaturen auf den Balkon, um bei Mondschein die ersten Grüße an die Zuhausegebliebenen zu Papier zu bringen. Gerüchten zufolge sollen sie dabei viermal den Lippenstift gewechselt haben, um dann - als Gipfel der Deka-

denz - ein Blatt Papier zu küssen. Wo sollte das noch enden ?

Außerdem sorgte Sonja für einen kleinen Adrenalinschub, als sie die Balkon- tür ganz zuschob und nur mit größter Anstrengung wieder aufbrachte.

2.Tag A r h V

( Gott des Krieges, Sohn des Zeus und der Hera )

Heute stellten unsere zwei Langschläferinnen den Wecker auf 7.30 Uhr (in Worten: halb acht !!!), um nicht gleich beim ersten Frühstück hungrig zu bleiben. Diese Gefahr bestand jedoch nicht, da das Büffet reichhaltig war und immer wieder aufgefüllt wurde. Es gab Semmeln, Croissants, Toast, Müsli, Rühreier, gebratenen Speck, Käse, Eier, Wurst, Marmelade, Honig und - Weintrauben, von denen sich Sonny eine täglich größer werdende Ration mitzunehmen pflegte. Wie schon gestern beim Abendessen hatten die herumstreunenden Katzen mit ihrem bettelnden Maunzen bei uns kein Glück. Cornflakes waren nicht nach ihrem Geschmack, und Kerstin und Sonja mochten keinen gebratenen Speck.

Um 9.30 Uhr fand im Hotel Paphos Beach der Begrüßungscocktail für alle TUI-Neuankömmlinge statt. Mit einem Drink in der Hand war jedes Ge- schwafel zu ertragen, doch es wurde gar nicht so langweilig, sondern ganz informativ. Nach soviel Motivationsversuchen, sich doch auch kulturell zu interessieren, fühlten sich Sonja und Kerstin veranlaßt, am DI und MI den

Verlockungen von Sonne, Sand und Meer zu widerstehen und stattdessen einen Ausflug zu unternehmen.

Anschließend wollte Kerstin noch schnell Briefmarken kaufen, da die Rezep- tion nur welche für Postkarten hatte. Doch siehe da, auf geheimnisvolle Weise war die Post über Nacht verschwunden. Immer wieder rekonstruierten Sonja und kerstin den gestrigen Weg, der sie ja an der Post vorbeigeführt hatte. In glühender Mittagshitze liefen sie dreimal durch dieselbe Straße und immer wieder an derselben Kirche vorbei - vergeblich, die Post blieb unauf-

findbar.

Aus lauter Frust über ihre Unfähigkeit - trotz bestandenen Abiturs - legten sich Kerstin und Sonja an den Pool und lasen - wegen der Ozongefahr und aufgrund noch nicht überwundener bayerischer Blässe natürlich im Sonnen schirmschatten.

Somit ergibt sich für die Autorin eine willkommene Gelegenheit zu einer ersten Betrachtung über Land und Leute. Da wären zuerst einmal die ande- ren Hotelgäste, die den Ansprüchen von Sonja und Kerstin nicht ganz ent- sprachen, da sie entweder zu alt, zu nervtötend oder einfach indiskutabel waren. Die zwei erlaubten sich daher das auf die Dauer recht anstrengende Späßle, sämtliche Insassen des Porto Paphos mit Spitznamen zu belegen. Irgendwann wurde es jedoch als zu große Beanspruchung der Gehirnzellen abgeschafft, weshalb die Liste unvollständig ist:

- Pool-Pärchen, das sich von morgens bis abends am Pool röstete

- Anja Heim I & II, ein "verdächtiges" Frauengespann, das die gleichen

Turnschuhe bevorzugte und genauso unvorteilhaft aussah wie unsere

liebe Mitschülerin

- Telly = Kojak mit Frau ( wegen seiner Glatze )

- The four Frenchies

- Zwergnase mit Frau

- Mr. und Mrs. Bierbauch

- J.B. Fletcher und Miss Marple

- der flotte deutsche Vierer (zwei Ehepaare, beim Essen immer gut gekleidet)

- Rustie und Frau (er erinnerte an Jelzin oder Gorbatschow)

- Pebbels und Bambam (ein nettes jüngeres Paar mit Kleinkind)

- der männliche und der weibliche Klaus (das Ehepaar sah zu normal aus.

Kerstin fand, daß der Mann unbedingt Klaus heißen muß)

- Amelie van der Marwitz u. von Prißnitz (altes Ehepaar kurzerhand in die

Lindenstraße versetzt)

- Mr. Piggy und Smokie

- Die Diva

- die Exaktos

- Cathunter I & II

- Zahnarzt und Perlweißfrau (der Mann erinnerte Sonny an ihren Zahn-

klempner)

- das dicke und das dünne Lottchen mit Männern

- Purple und Schultz (sie hatte lila Haare)

- Spasti und Pflegerin

- Detlev und Brunhilde

Natürlich blieb auch das Hotelpersonal nicht verschont:

- Kellner Billy, der am Sonntag leider seinen letzten Tag hatte. Und das ob-

wohl er interessant zu beobachten war, weil er "so einen wahnsinnig

dynamischen Gang hat" (O-Ton Sonja)

- Kellner Schwabl wie Manfred Schwabl von den Löwen

- Koch Andreas II alias Alfredo (die Teller glänzten nicht nach Fairy Ultra !!)

- Mr. Drink, ebenfalls Kellner, der einen immer zum Drink an der Bar

nötigen wollte

- Hadi (= Haremsdiener), da er eine Stimme wie ein Eunuch hatte

- Mary, weil sie die Hauptdarstellerin von West Side Story hätte sein

können

- Löckchen, weil sie dieselben immer mit viel Gel verbergen wollte

- RBB (= Haarreif, Haarband, Brille)

- der kleine Muck, zweiter Koch mit toller Frisur

Beim Abendessen probierten Sonja und Kerstin ein Glas Wein - Saint Portelleimon, medium sweet - weil "der Kellner sonst so komisch schaut" (O-

Ton Sonny). Wider Erwarten fanden sie den Rebensaft nicht nur genießbar, sondern sogar geschmackvoll.

Danach waren sie wieder in Kato Paphos unterwegs. Das gleiche Bild wie gestern nur immer noch keine Post. Diese erneute Niederlage wurde des Nachts am Strand bei Meeresrauschen ausdiskutiert, schließlich ist man psychologisch ja Hettinger und Kühne-Kamm geschult.

Auf dem Rückweg wurden Kerstin und Sonja vom Auto aus mit Geld bewor- fen. Das gab zu denken, doch schließlich wurde das 5-Cent-Stück in eine Postkarte investiert.

3.Tag D i o n i s o V

( Gott des Weines und der Fruchtbarkeit )

Nach dem faulen Tag gestern wollten Sonja und Kerstin heute produktiv werden. Deshalb klapperten sie nach einer in Sonnys Reiseführer beschrie- benen Route sämtliche Sehenswürdigkeiten von Paphos ab:

I. Mosaike im Haus des Dionysos, des Aion und des Theseus

II. das Odeon und der Leuchtturm

III. Ayia Solomoni (eine Felskapelle, an deren Eingang ein Baum steht, der

mit Stoffetzen behangen ist. Sie sollen die Wirksamkeit der Gebete unter-

stützen)

IV. die Lateinische Kathedrale, die leider geschlossen war (was Sonja und

Kerstin aber erst feststellten, nachdem sie sich umgezogen hatten !!)

V. Königsgräber

Noch mehr Kultur konnten Sonja und Kerstin in der Hitze nicht mehr ver- dauen, und sie badeten irgendwo zwischen Leuchtturm und Königsgräbern.

Naja, baden ist etwas übertrieben, denn die rutschigen Steine und die Wellen ließen nur ein Wie-lange-kann-ich-mich-noch-aufrecht-halten zu.

Trotzdem etwas erfrischt ging es weiter zu:

VI. Saranda Kolonnes (eine Burgruine)

VII. die Kirche Theoskepasti

Eine weitere Kirche - Panayia Chrissopolitissa - entzog sich jedoch der Be- sichtigungswut von Sonja und Kerstin. Es könnte sein, daß der Reiseführer dumm ist und alles falsch einzeichnet (so wie die Lateinische Kathedrale), und natürlich wäre es eine sehr unwahrscheinliche Vermutung Sonja und Kerstin für unfähige Pfadfinder zu halten. Ù Abgerissen worden war sie, die Kirche, - über Nacht - so wie die Post, die bis jetzt noch nicht wiederaufge- taucht war,

Im Hotelzimmer stellten Sonja und Kerstin anhand des TUI-Reiseführers fest, daß sie

a) praktisch alles Sehenswerte besichtigt hatten

b) 10 km gelaufen waren

c) die Kirche Panayia Chrissopolitissa wohl doch dort stehen mußte, wo sie

eingezeichnet war und

d) daß die liebe Sonne sie hatte zart erröten lassen.

Beim Abendessen lud sie der Kellner dann zu zwei Gläsern Wein ein. Eins beim Essen selbst - Sonja und Kerstin wollten eigentlich nur Wasser trinken

- und eins nachher an der Bar. Dieses "meeting" kam überhaupt nur zustan- de, weil Kerstin glaubte, ihn damit endgültig loszuwerden. Sonja war davon nicht überzeugt und - sie hatte recht.

Zusammen mit Koch Andreas II wollte Mr. Drink "tomorrow night" einen Tisch für vier Personen bestellen. Was erwiderten die zwei Mädels ? - Richtig!

"We don’t know yet." Und als die zypriotische Hartnäckigkeit gar nicht locker ließ, wurde die Hinhaltetaktik angewandt: "Not tomorrow" Eine sehr prak- tische Variante, schließlich sind es nur noch 12 Tage bis zum Heimflug.

Außerdem glaubte Kerstin, daß sie jeden Moment tot umfallen würde, da die Erbsen vom Abendessen nicht gar gekocht waren. In diesem Fall würde Sonja sofort nach Wien fliegen und einen gewissen M.D. zur Rede stellen, um nur einmal trauern zu müssen. Kerstin findet diese Ansicht makaber und beschließt, nicht zu sterben.

4. Tag E r o V

(Liebesgott, Sohn der Aphrodite)

Wider Erwarten hatte Kerstin die Erbsen gut verdaut, weshalb Sonja in Zypern blieb. Beide frischten ihre rapide schwindenden zypriotischen Geld- vorräte auf und entdeckten - oh Wunder - das Postamt. Es befand sich gleich neben der Robin Hood Bar, um die sie wegen des aufdringlichen Andreas I immer einen großen Bogen gemacht hatten.

Voll Verwunderung über soviel Dummheit, aber froh, wenigstens nicht an Halluzinationen zu leiden, ließen sich Sonja und Kerstin mit dem Bus zum Markt nach Ktima kutschieren. Dort stieg das Stimmungsbarometer ge- waltig an, denn Sonja geriet bei den angebotenen Pfirsichen ins Schwärmen, Kerstin verlor ihr Herz an ein Ankh aus Holz, und der FC Bayern hatte mit 2:0 gegen 1860 gewonnen, wie sie im Vorbeigehen aus der Bild am Sonntag erfuhren.

Der Nachmittag wurde zwecks Sonnenbrandpflege im gut klimatisierten Hotelzimmer zugebracht - natürlich als Bücherwürmer.

Abends war Sonny dann topfit und lieferte die originellsten Beschreibungen. "Jetzt sind wir hier auf Zypern und essen Weihnachten." meinte sie ange- sichts mit Zitrone, Zucker und Brandy flambierter Kirschen.

Die lange Uferstraße betitelte sie als "zypriotische Maxstraße", da die Zyprio- ten dort immer auf- und abfuhren.

Andere Äußerungen, die bei Mondschein am Strand und auf dem Balkon fielen, unterliegen der Zensur, da es sich um romantische Geschichten von beiden Seiten handelte. Ein unerschöpfliches Thema, weshalb es sehr spät bzw. früh wurde.

5. Tag Z h u V

(Göttervater)

Der heutige Tag sollte ein Tag für die Götter werden. Die Fahrt ins Troodos- Gebirge führte nämlich dicht am Olymp vorbei. Heutzutage befindet sich je- doch statt Zeus und Hera nur eine Rundfunkantenne und eine britische Radarstation auf dem Göttersitz.

Zu Beginn dieser "göttlichen" Fahrt erteilte Reiseleiterin Gudrun erstmal einen Spezial-Schnellkurs in Griechisch:

Ne = Ja Eu = Nein (wobei der Kopf leicht nach hinten geworfen wird)

en daxi = als Frage: Wie geht es Dir ?

= als Antwort: Gut, alles okay.

Kalimera = Guten Tag (bis 12.00 Uhr mittags)

jassas, jassu = hallo

Epharesto = Danke Barchagalo = Bitte

Kerstin war mit dem Mitschreiben hoffnungslos überfordert, da sie keine Ahnung von der richtigen Schreibweise hatte.

Doch ohne Rücksicht auf die frühe Tageszeit bombardierte Gudrun ihre Reisegruppe mit Landschaftsbeschreibungen, Belehrungen über Flora und Fauna, zypriotischen Sitten und Bräuchen, daß Kerstin gar nicht dazu kam, den Stift aus der Hand zu legen.

Zuerst ein kurzer Überblick über die Reiseroute: Am Stausee von Paphos vorbei, dann das Diarizos-Flußtal entlang bis zu einer Fotopause beim Olymp und einer längeren Rast in Kato Platres, wo die Dimitrios-Kirche zur Besichtigung einlud. Weiter gings, am Trooditissa-Kloster vorbei, in dem eine von Lukas gemalte Marien-Ikone verehrt wird, die angeblich bei Unfrucht- barkeit hilft. Die Frauen legen sich einen Gürtel um den Bauch, spenden großzügig und hoffen, daß sich ihr Kinderwunsch erfüllt. "Inwieweit die Mönche daran beteiligt sind, kann ich nicht sagen." zeigte sich Gudrun im wichtigsten Detail unwissend. In diesem über 1300 m hoch gelegenen Kloster verbringt auch der Erzbischof den Sommer.

Auch Prodomos, das mit ca.1400 m höchstgelegene Dorf konnte vom Bus aus bewundert werden.

Ebenso große Begeisterung brachte Gudrun für die vielen endemischen (nur auf Zypern beheimateten) Pflanzen und Tierarten auf:

- die See- oder Meerzwiebel, die im Sept. blüht, Blätter aber erst in den Re-

genmonaten bekommt

- die Goldeiche, deren Blätter an der Unterseite wirklich golden sind

- die "Tränen der Banayia", eine Art Gänsekresse, die hellrosa blüht

- die Schuppengrasmücke, der Vogel, der auch auf dem 10-Pfund-Schein zu

sehen ist

- die Levante-Otter, die einzige gefährliche Giftschlange Zyperns, die von

den Einheimischen "Kondure = Kurzschwänzige" genannt wird

Doch obwohl diese Erklärungen das Herz jedes Ex-Erdkunde-LKlers erfreuen konnten, und die eifrigen Befürworter von Feuchtigkeitscreme erfahren muß- ten, daß sie sich aluminiumhaltiges Gestein (Vendonite) ins Gesicht schmie- ren, interessierten Kerstin am meisten die zypriotischen Bräuche.

Eine große Bedeutung haben seit jeher die Olivenbäume. Sie brauchen sehr lange, um Früchte zu tragen, weshalb ein zyp. Sprichwort lautet: "Einen Feigenbaum pflanzt du für dich, einen Olivenbaum für deine Enkel."

Am Palmsonntag war und ist es Brauch, Olivenzweige in die Kirche zu brin- gen,um sie segnen zu lassen. Mit diesen Blättern werden die Familienmitglie- der einmal pro Woche angeräuchert, um die bösen Geister zu vertreiben.

An Silvester kam ursprünglich die Großfamilie zusammen. Die Männer spielten Karten, die Frauen warfen Olivenblätter ins Feuer. Sprang das Blatt beim Verbrennen in die Höhe, erfüllte sich der getane Wunsch.

Neben den Oliven blickt auch der Weinanbau auf eine lange Tradition von über 4000 Jahren zurück. Zur Weinlese sind in den Gebirgslagen Esel für den Transport noch sehr wichtig. Die Weinstöcke werden im Jan./Feb. ge- schnitten, im Frühjahr gespritzt, aber nie bewässert.

Aus dem letzten Saft der Weintrauben wird Sevanea destilliert, ein mind. 50%er Schnaps, der nach Belieben als Allheilmittel gegen Krankheiten oder zum Fensterputzen verwendet wird.

Außerdem wird auf Zypern der Namenstag groß gefeiert. Unangemeldete Besucher kommen, um zu gratulieren, und wollen bewirtet werden. Darum wehe der Familie, die einen Andreas unter ihrem Dach beherbergt, denn da jeder zweite so heißt, ist der Namenstag überall bekannt, und ganze Scharen von Gratulanten ziehen von Haus zu Haus. Die Situation wird sich wohl nicht verbesseren, denn es ist Tradition, daß ein Kind den Namen der Groß- eltern bekommt.

In Zusammenhang mit den vielen Klöstern schien es auch interessant, daß von Popen die Einhaltung des Zölibats nur dann gefordert ist, wenn sie Bischof werden wollen. Da diese Berufung meistens jedoch Mönchen zuteil wird, sind viele Popen mit Familie gesegnet, und der Priesterberuf wird weiter vererbt.

Am Kykkos-Kloster angekommen, war der Mitschreib-Marathon erstmal be- endet. Gebannt lauschten Kerstin und Sonja der Entstehungssage des Klosters, die auch auf Wandbildern dargestellt wurde: Im 11. Jahrhundert wurde der Einsiedlermönch Jesejas vom zyp. Gouverneur gekränkt. Als dieser schwer krank wurde, verlangte der Mönch als Preis für die Heilung eine Marien-Ikone, von Lukas gemalt auf dem Holz, das ihm der Erzengel Gabriel selbst gegeben haben sollte. Eine von diesen insgesamt drei Ikonen besaß der Kaiser von Byzanz, der aber einer Überführung nach Zypern erst zustimmte, als auch seine Tochter schwer erkrankte.

Jesejas bekam die Ikone, heilte die Kranken und errichtete ein Kloster. Seit dieser Zeit befindet sich die Ikone in der Kirche des Kykkos-Klosters. Aller- dings mit einem Metallbeschlag versehen, so daß niemand heute weiß, in welchem Zustand sich die Ikone befindet oder ob sie überhaupt noch existiert.

Nichtsdestotrotz pilgern viele dorthin und spenden reichlich, um Regen zu erflehen, einen Platz im Paradies zu erlangen oder von Krankheiten geheilt zu werden. Das Kykkos-Kloster gilt deshalb als reichstes in ganz Zypern, was auch die wundervollen Mosaike und die blattgoldige Ausstattung der Kirche belegen. Zusätzliche Berühmtheit errang das Kloster als Stützpunkt der Partisanen im Unabhängigkeitskrieg gegen England, und weil Makarius III, der erste Präsident Zyperns dort erzogen wurde. Makarius war zugleich Erz- bischof des Landes und beim Volk sehr beliebt.

Dem Besuch im Kykkos-Kloster schloß sich eine Mittagspause in Pedoulas an, die Sonja und Kerstin nicht nur zum Essen, sondern auch zur Besichti- gung einer Scheunenkirche nutzten.

Am Grabmal von Makarius III bewunderten Sonja und Kerstin eine Nachbildung der berühmten Marien-Ikone des Kykkos-Klosters und einen gutaussehenden Wachsoldaten, der erst bei einem Blinzeln mit den Augen als lebendig identifiziert werden konnte.

Die Fahrt ging weiter über den 1800 m hoch gelegenen Troodos-Platz, dem Skigebiet Zyperns (4 Lifte). Bei der letzten Rast im aussterbenden Dorf Keda- res gab es Schnaps, Wein und Kaffee zum Probieren. Durch den Kaffee wieder hellwach, verabschiedeten sich Sonja und Kerstin vom Troodos-Ge- birge, der Lunge (Wald) und dem Leben (Wasser) Zyperns.

Wieder in Paphos waren sie als Sonnenuntergangsjäger unterwegs, doch er entwischte ihnen knapp. Dafür fanden sie endlich die vergeblich gesuchte Kirche Panayia Chrissopolitissa mit der Paulussäule. Alles wurde gleich aufs Foto gebannt, damit nichts wieder entschwinden könnte.

Euphorisch von diesem errungenen Sieg verzogen sich die beiden zum Kar-tenschreiben auf den Balkon, denn "Atlantis lebt !", wie Sonny so treffend formulierte.

6. Tag A f r o d i t e

(Göttin der Schönheit und Liebe)

Heute stand wieder ein Ausflug mit Gudrun auf dem Programm, weshalb Kerstin Papier und Stift nicht allzu weit wegräumte - und sie wurde nicht enttäuscht !

Zuerst beschrieb Gudrun wieder zyp. Eigenarten:

So ist es Tradition, der Tochter ein Haus oder eine Wohnung als Mitgift in die Ehe zu geben. Viele Häuser sehen deshalb unfertig aus, da das untere Stockwerk noch nicht ausgebaut ist, weil die Tochter nicht im Erdgeschoß wohnen wollte oder da Eisenstangen aus dem Flachdach ragen, um leicht noch eine Etagen aufstocken zu können.

Die Lieblingsfarbe der Zypriotinnen ist schwarz, da es gut zu ihren dunklen Haaren paßt. Außerdem wird die Farbe der Trauer von einer Zypriotin bis an ihr Lebensende getragen, wenn ein naher Verwandter gestorben ist.

Da kam da Neophytos-Kloster in Sicht. Neophytos lebte im 18. Jh. und woll- te Gott sein Leben widmen. Er entlobte sich und plante in ein Kloster im Ausland zu gehen. Doch in Paphos wurde ihm sein Geld geraubt. Da schlug er zwei Löcher in eine Felswand und lebte wie ein Einsiedler. Seine Schriften brachten ihm Ruhm, viele Anhänger und die Erlaubnis zur Klostergründung. Doch eines Tages wurde Neophytos der Gesellschaft überdrüssig, er schlug einen dritten Raum in den Fels und verbrachte den Rest seines Lebens fast eingemauert. Alle drei Felsräume wurden auf seinen Wunsch ausgemalt und diese Malereien können noch heute bewundert werden, ebenso wie die Klosterkirche.

Dort erklärte Gudrun den Aufbau der Ikonostase (= Ikonenwand):

Ganz oben das Kreuz mit einem gemalten Christus, in der obersten Ikonnen- reihe die Apostel, darunter - etwas kleiner dargestellt - die kirchlichen Feier- tage. Unten in der Mitte die Heilige Tür zum Altar, rechts davon Christus und Johannes der Täufer, links die Mutter Gottes und der Schutzheilige der Kirche. Die unterste Ikonenreihe wird oft durch Glas geschützt, da die ortho- doxen Christen sie beim Betreten der Kirche küssen.

Nach all den Sehenswürdigkeiten lockten mehrere Buden, an denen es echt zyp. Süßigkeiten zum Probieren und Kaufen gab. Die Weingummi-Schnüre fanden dabei weniger Beifall als "Pastellaki", ein Gemisch aus Nüssen, Mandeln und Sesam mit Johannisbrotbaumsaft als Bindemittel.

Weiter ging die Fahrt nach Panagia, dem Geburtsdorf des Erzbischof und ersten Präsidenten Makarius III. Nach einer kurzen Visite in seinem Geburts

haus war das Kloster Chrissoroyiatissa an der Reihe. Dort gibt es eine eigene Weinkellerei und einen sehr guten Wein, denn das Kloster liegt über 1100 m hoch, und ab einer Höhe von 700 m wachsen Qualitätsweine.

Nach der Mittagspause in Latchi durften alle dann zu den Bädern der Aphrodite laufen. Der Sage nach hat sich Aphrodite an dieser Quelle mit ihrem Liebhaber Adonis vergnügt. Doch ihre Beziehung war nicht ganz un- problematisch, denn auch Persephone, die Göttin der Unterwelt, war in Adonis verliebt. Der Götterrat entschied, daß Adonis ein Drittel seiner Zeit Aphrodite widmen sollte, ein Drittel Persephone und ein Drittel für sich selbst haben sollte. Doch Adonis betrog Persephone und verbrachte zwei Drittel seiner Zeit mit Aphrodite. Tief gekränkt bat Persephone ihren Bruder Ares, Adonis zu töten. Als Aphrodite die Nachricht von ihrem sterbenden Geliebten erhält, läuft sie mit nackten Füßen los. Stacheln zerkratzen ihre Beine und wohin ihre Blutstropfen und Tränen fielen, blühen heute Anemo- nen.

Die Bäder der Aphrodite sollen auch heute noch verjüngend wirken. Deshalb plätscherten einige Touristen mit ihren Käsfüßen im Wasser und störten mit penetranter Ich-bleib-hier-stehen-Mentalität sämtliche Fotos.

Doch bei einem Bad im wunderbar blauen Meer spülten sich Sonja und Kerstin allen Ärger von der Seele. Die Kieselsteine lieferten zwar nicht den besten Halt, aber bei den Felsen trieben Seeigel ihr Unwesen. Ù lieber kurz ausgerutscht als lang gestachelt !!

Das Abendessen verlief ruhig und gemütlich, da Mr. Drink seinen freien Tag hatte und niemanden nerven konnte.

Vom Balkon aus beobachteten Sonja und Kerstin dann zwei Taucher bei ihrem nächtlichen Unterwasserspaziergang. Anschließend verkopften sie sich beim Kartenlegen, da keine Romme-Karten dabei hatte. Darum merke:

Auch eine Kartenrückseite kann sehr wichtig sein !!!

7. Tag E r m h V

(Götterbote, Gott des Schlafes und der Träume)

Der heutige Tag wurde mit Hermes betitelt, und da der Götterbote meist in Eile ist, läßt sich auch das Tagesgeschehen schnell abhaken.

Am Vormittag knipsten Sonja und Kerstin schnell noch ein paar Fotos vom Hafenkastell und der Kirche Panayia Chrissopolitissa. Schließlich sollte niemand behaupten können, sie hätten irgendeine Sehenswürdigkeit ausge- lassen.

Beim anschließenden Einkaufsbummel lernten sie Hadis Zwillingsbruder kennen, worauf natürlich sofort eine Einladung zum Drink folgte. Die Antwort ist nicht schwer zu erraten.

Nachmittags hieß es dann relaxing on the beach, damit man beim Barbe- que im Hotel richtig fit zum Zuschlagen ist. Eine ganze Flasche Wein und Gegrilltes bis zum Abwinken verschwand auf geheimnisvolle Weise im Ver- dauungstrakt.

Recht "luschdig" drauf, beteiligten sich Sonja und Kerstin anschließend beim Schlangestehen vor den Telefonzellen. Sonja gratulierte ihrem Opa zum Geburtstag und erfuhr, daß das Wtter in Augsburg unbeschreiblich mies ist, und daß Deutschland mit 4:1 gegen Georgien gewonnen hat.

8. Tag P h r s e f o n h

(Göttin der Unterwelt)

Schon beim Aufstehen war es sauheiß. Sonja bediente sofort die Klimaanlage während Kerstin eine andere Idee hatte: "Glaubst Du, daß Totstellen hilft ?"

Was tut man an so einem schweißtreibenden Tag ? - Richtig, man geht ins Museum, was sonst ?

Im ethnischen Museum empfing Sonja und Kerstin ein alter Lustmolch, der vor allem bei jungen Mädchen beim Herumführen auch gerne Händchen hielt und zum Abschied Küßchen wollte (Würg !!!). Außerdem verstand er sich glänzend auf überhöhte Eintrittspreise.

Schnellstens entflohen Sonja und Kerstin ins archäologische Museum, das wunderschöne bemalte Tongefäße zeigte und endlich mal ein Skelett.

Sonjas Manie, alle zyp. Früchte durchzuprobieren, erhielt heute einen Dämpfer, denn die Frucht des Feigenkaktus - angeblich sehr süß - schmeck

te mehr nach gar nichts, hatte aber mindestens 1000 Kerne, die Sonny leider nicht mitessen konnte.

Nachmittags am Strand stellten sich Andreas III und IV vor. Andreas III kellnerte im Hotel nebenan, der andere war sein Cousin. Andreas III redete und redete und brachte die Mädchen ins Grübeln, ob sie nicht doch seine Einladung annehmen sollten.

Kaum hatten Sonja und Kerstin die Sonneninsel - und damit Andreas III - verlassen und waren zu ihren Handtüchern zurückgekehrt, kreuzte Charles IV ihren Weg (Charles III ist der englische Thronfolger !!). Er war halb Zypriot und halb Brite, erkennbar an seiner blonden Haartracht, und hatte die un- möglichstn Ansichten (heavy metal und motorbikes verderben den Charak- ter !!!). Manche Leute halten ihn deshalb für "crazy", aber das kommt daher, weil er "Greek philosophy" studiert hat. Trotzdem unterhält er sich gerne mit den Leuten, um ihren "way of thinking" herauszufinden, der nach Charles Meinung das wichtigste im Leben ist und den Charakter prägt.

Ansonsten hielt er Sonja für typisch "Danish or Swedish" und stellte fest, daß Kerstin "an angel" mit "Japanese eyes" ist.

Seine Einladung beinhaltete nicht nur einen Drink, sondern auch eine Fahrt zur Coral Bay.

Ù Mal sehen, denn eigentlich wollten Sonja und Kerstin ja Andreas III und IV im Annabell, dem Hotel nebenan, besuchen. Doch erstens waren sie nach dem Abendessen so schön faul und vollgefressen, und zweitens wollten sie kein Risiko eingehen, denn wie sagte Charles IV: "Don’t trust any cypriots."

Also gab es wieder Zitronentee auf dem Balkon. Sonja betätigte sich noch als Geldwäscherin, da die in der Babypuderdose versteckten Scheine etwas eingestaubt waren.

9. Tag A p o l l o

(Gott des Lichtes, der Heilkunde, der Weissagungen und der Künste)

Die Erkundungstour des heutigen Tages führte Sonja und Kerstin zum "shrine of Apollo". Dieser bestand aus zwei beeindruckenden Felslöchern mitten in einer Müllhalde.

Außerdem befand sich der Tierschutz auf dem Gelände, wie die deutsche Leiterin ihnen sehr liebenswürdig (?) mitteilte. Wahrscheinlich zog sie die Pflege ihrer 200 heimatlosen Katzen und 200 Hunden dem Kontakt zu Zwei- beinern vor.

Um 14.00 Uhr folgten Sonja und Kerstin der Einladung von Andreas III und betraten die Höhle des Löwen - das Annabell. In dieser sehr noblen Atmos- phäre ließen sie sich gern einen Brandy Sour - schmeckt genial ! - und etwas Gebäck schenken. Außerdem verabredeten sie sich für heute abend mit Andreas III und Nikos, einem zweiten Kellner, der wirklich nicht schlecht aussah. (Sehr konsequent, das genaue Gegenteil von dem zu tun, was man gestern abend beschlossen hat !)

Beim nachmittäglichen Baden machte Charles IV den Mädels wieder seine Aufwartung. Einladungen annehmen und abschlagen wurde langsam ein Koordinationsproblem.

Nach dem Abendessen stand erstmal Einreihen in die Telefonzellenschlange auf dem Programm. Kerstin meldete ihren Eltern, daß sie bis jetzt überlebt hat, und erfuhr nebenbei, daß Bayern 2:0 gegen Freiburg gewonnen hatte. Sie überzeugte auch ihren armen verlassenen Freund, daß es ihr gut geht, sie ganz brav ist, und daß sie immer auf Sonny aufpaßt, was diese äußerst belustigend fand.

Die Generalprobe um 23.00 Uhr bestätigte Sonjas Zweifel in Bezug auf ihre "Anstandsdame". Der Strandspaziergang bei Vollmond wirkte sich nämlich gefährlich auf südländische Romantiker aus, und am Strand gab es leider mehrere Wege. Während Kerstin mit Nikos den Steg erkundete und sich bestens über Motorräder, deutsche Grammatik und Fischfang bei Nacht unterhielt, baggerte Andreas III eifrigst bei Sonja.

Wieder beim Hotel angekommen, wollten Sonja und Kerstin deshalb gleich schlafen gehen, denn Sonny hatte genug gehört und erklärt. Zu einem erneuten Treffen bzw. Weingelage auf ihrem Balkon ließen sich die zwei trotz- dem überreden. "Wenn wir nicht blöd sind, wer dann ?" (O-Ton Sonja)

 

10. Tag A r t h m i V

(Zwillingsschwester Apolls, Göttin der Jagd,

Schützerin der Jugend und Jungfräulichkeit)

Schon beim Aufstehen war es Sonja und Kerstin klar: "So geht es nicht weiter !" Da lasen sie in sämtlichen mitgebrachten Urlaubsbüchern über Emanzipation und Selbstverwirklichung und dann dieser Ausrutscher gestern. Artemis, die Schützerin der Jugend und Tugend, stärkte ihnen den Rücken und so marschierten sie ins Annabell und sagten die Verabredung ab.

Dann beschlossen sie Charles IV zu suchen, um mit ihm zur Coral Bay zu fahren (schließlich ist er allein und wirklich ganz nett). Als er bis 14.00 Uhr noch nicht aufgetaucht war, packten Sonja und Kerstin ihre Badesachen, um am Leuchtturm das Wasser zu genießen, da ihnen der "Heimatstrand" heute zu gefährlich schien. Sie waren noch nicht weit gekommen, als sie zu- fällig Charles IV trafen - und zwei andere Zyprioten, die die Mädchen vor ihm warnen wollten: "He was in prison, because he killed someone."

Sonja und Kerstin ließen sich nicht abschrecken, obwohl ihnen die Sache nicht mehr ganz geheuer war. Charles IV erklärte ihnen, die zwei Zyprioten wären stadtbekannte Drogendealer und "the leaders of the bad people, but I’m the leader of the good people." Durch eine rasante Fahrweise und gewagte Überholmanöver - "I’m a good driver, I drove Formel 1" - hängte er schließlich die zwei Verfolger ab.

Coral Bay vermittelte jedenfalls ein ganz anderes Badegefühl: klares Wasser, weißer Sandstrand Ù traumhaft.

Außerdem fand Charles IV Kerstins Geschreibsel, das irgendwann in einer Geschichte enden sollte, sehr faszinierend. Er hätte gerne ein gedrucktes Exemplar mit Widmung und wollte unbedingt per Unterschrift bestätigen, daß Kerstin der einzige Engel am Strand ist (naja Ansichtssache). Hier seine Originalunterschrift:

 

Die Rückfahrt verlief weniger gewagt als die Hinfahrt und Sonja und Kerstin wurden wohlbehalten vor ihrem Hotel abgeladen. Nach einem gegenseitigen "Thank you for a nice day" verabschiedete sich Charles IV.

Beim Abendessen gab es für Sonja und Kerstin endlich wieder etwas Interes- santes zu beobachten, denn vier britische Bubis erwiesen dem Porto Paphos die Ehre ihrer Beherbergung. Da ließ es sich doch gleich viel besser über un- passende Shorts, Frisuren und Nasen lästern.

11. Tag M a r a J o n

(Gott des Laufens)

Marathon - der Titel des Tages läßt nichts Gutes erahnen.

Sonja und Kerstin hatten sich vorgenommen, Yeroskipos zu erkunden.

Also früh aufgestanden, um nicht in der Mittagshitze laufen zu müssen Nach etwa einer Dreiviertelstunde Fußmarsch an der langweiligsten Straße der Welt, stellten sie bei einem Blick auf die Karte fest, daß sie irgendwie völlig falsch gelaufen waren.

Das kommt davon, wenn man zyp. Straßenschildern glaubt !!! Was nun ? Die unbekannte Abzweigung suchen oder alles wieder zurück ?

Kein Risiko eingehen ! Ù Kehrt marsch !!!

So wanderten Sonja und Kerstin in der Mittagshitze an der Landstraße entlang nach Yeroskipos. Um Haß- oder Deprimiertheitsanfälle gar nicht aufkommen zu lassen, wurde gesungen (meist ging nach der ersten Strophe der Text aus).

Nach 2 ½ Stunden endlich bei der Kirche in Yeroskipos angekommen, er- blickten Sonja und Kerstin drei Busse voll mit ausgeruhten Touristen.

"So muß sich ein Gipfelstürmer fühlen, wenn er die Seilbahn auf der ande- ren Seite entdeckt !" kommentierte Kerstin.

Außer der Kirche und einem Museum gab es nicht viel zu sehen.Ù Frustra- tion pur auf dem Rückweg, aber wenigstens das Gehirn funktionierte noch, wie die Umdichtung eines Liedes von den Toten Hosen beweist:

Und alles nur,

weil wir so blöd sind.

Nun weiß ich auch, wie ich’s beweisen soll.

Komm ich zeig dir, wie groß uns’re Blödheit ist:

Wir liefen endlos ‘rum.

Die nächste Strophe ist allen Zyprioten gewidmet, speziell denen mit Namen Andreas:

Und alles nur,

weil die so blöd sind.

Nun weiß ich auch, wie ich’s beweisen soll.

Wart ab, ich sag dir, wie gut sie im Lügen sind.

Die hielten uns wohl für dumm.

Dann brach wieder die Frustration durch:

Ich sag "good-bye",

ihr lieben Füße.

Ich glaube nicht, daß ich’s beweisen muß.

Tragt mich bitte noch zurück bis ins Hotel,

dann ist mit Laufen Schluß.

Als Sonja und Kerstin endlich, endlich das Hotel erreicht hatten, kühlten sie sich erstmal bei einer Dusche ab, und dann wirkten die Betten so einladend für ein kleines Nachmittagsschläfchen.

Das Abendessen durfte natürlich nicht ausfallen, denn eine Stärkung hatten sie sich redlich verdient. Die nächste - in Form einer Flasche Wein - lag schon im Waschbecken zum Kühlen.

Um 22.00 Uhr gings ans Öffnen, was zu einer erneuten Kraftanstrengung ausartete, da der Korkenzieher von Sonnys Taschenmesser den Korken nicht ziehen wollte. Bis 24.00 Uhr stießen Sonja und Kerstin auf die unmöglich- sten Sachen an (alle Daheimgebliebenen, den Mond, den FCB, ...), um Mitter

nacht natürlich auf das Geburtstagskind.

Das Geschenkeauspacken und die feucht-fröhliche Feierstimmung wurde auf diversen ganz "spontanen" Selbstauslöserfotos dokumentiert.

Noch eine kleine Anmerkung am Rande:

Das Bundesgesundheitsministerium warnt: Das Lesen einer Beverly Hills 90210 Spezialausgabe nach 0.00 Uhr gefährdet ihre Lachmuskeln !!!

Aber Sonny wollte nicht hören. Die ersten Krankheitssymptome zeigten sich schon um 1.00 Uhr nachts, als sie nochmal duschen mußte, weil ihr so heiß war.

12. Tag S o n i a

(heutiges Geburtstagskind)

Sonjas Geburtstag präsentierte strahlenden Sonnenschein und wolkenlos blauen Himmel. Voller Schadenfreude wollten sich die zwei Zypern-Reisen- den an die Schüler erinnern, die ab heute wieder in den Lehranstalten schmachten würden, doch ihre Gehirnzellen gaben diese Meldung erst abends frei ( ja,ja das Alter !!!).

Um den Strand, die Sonne und das Meer von ihrer schönsten Seite genießen zu können, hatten sich Sonja und Kerstin den Felsen der Aphrodite als Ziel auserkoren. Nach einer Dreiviertelstunde vergeblichen Wartens auf den Bus, landeten sie schließlich an der Coral Bay. Dort faulenzten sie an einer ande- ren Bucht als mit Charles IV, aber hier war das Wasser fast noch blauer. Außerdem wehte immer eine kühle Brise, so daß es sich unterm Sonnen- schirm gut aushalten ließ.

Des Abends verschmähten Sonja und Kerstin das Hotelessen, um in der Fish Tavern beim Meze hemmungslos zu schlemmen. Zuerst waren sie die einzigen Gäste, die unter einem Dach aus wildem Wein mit vielen Trauben insgesamt 11 Gänge verzehrten. Alles schmeckte super und machte vor allem satt. Deshalb wurde noch ein Verdauungsschnaps auf Kosten des Hauses serviert, der es in sich hatte (besonders nach einer Flasche Wein !!)

Zur Feier des Tages schenkte sich Sonja noch ein Paar Ohrringe, bevor das Sandmännchen - unterstützt vom Weingeist - zu seinem Recht kam.

13. Tag E r a

(Göttin der Ehe)

Als Sonja und Kerstin heute bei Sabine, der TUI-Reiseleiterin nachfragten, erfuhren sie, daß die Buslinie zum Aphrodite-Felsen gar nicht existiert, da sie nicht genehmigt worden war. Aber die Fahrpläne hängen aus. Ù Danke !

Bei der Siesta im Hotelzimmer hörten sie im Radio doch tatsächlich eine Werbung für das Oktoberfest und als Untermalung die Deutschland- hymne. Ein Omen, daß der Urlaub zu Ende geht ?

Nachmittags trafen sie wieder Charles IV am Strand. Er klagte, daß er so "lonely" ist, weil sein "girlfrien" aus England ihn letztes Jahr verlassen hat. Sonja und Kerstin verabschiedeten sich auch - bis irgendwann in ferner Zukunft am Strand von Paphos oder in München, wenn Charles IV dort einmal seinen Urlaub verbringt.

Beim Abendessen mußten Sonja und Kerstin feststellen, daß sie von sämt- lichen Leuten beobachtet werden. Ein älteres Ehepaar berichtete ihnen näm- lich, daß alle gestern die "Teenager" vermißt hätten.

Ù 007 hätte im Porto Paphos keine Chance, unerkannt zu bleiben !!!

14. Tag A J e n h

(Göttin der Weisheit und des Handwerks)

Der letzte Tag und der letzte Ausflug mit Gudrun - nach Lefkara.

Zuerst führte die Reise am Heiligtum der Aphrodite im Stadtkönigreich Paleo Paphos vorbei. Die heute leider sehr spärlichen Ruinen waren früher der Schauplatz rauschender Feste. Vier Tage lang wurde gefeiert.

Am 1. Tag begann man mit einem Bad im Meer zwecks innerer (?) und äußerer Reinigung.

Am 2. Tag fanden die Sportwettkämpfe statt.

Der 3. Tag war Bet- und Opfertag, wobei der Göttin Aphrodite niemals Blut- opfer dargebracht wurden, sondern sie wurde mit Blumen, Früchten und Terrakotta verehrt.

Am 4. Tag fand schließlich die Einweihung des Tempels statt. Jeder Be- sucher spendete eine Münze und bekam dafür einen Salzklumpen.

Weiter ging die Fahrt zum Aphrodite-Felsen. Dort soll die Göttin aus dem Schaum des Meeres geboren worden sein. Der Fels wird auch "Petra tou Romiou" genannt, also "Stein der Romäer (=Griechen)", denn der Sage nach soll ein griech.-zyp. Volksheld durch das Werfen dieses Felsbrockens die Araber vertrieben haben, die zu dieser Zeit die Küste Zyperns plünderten.

Danach wurden die Ausgrabungen des Stadtkönigreichs Curium be- sichtigt, das Amphitheater, die Basilika und das Haus des Eustolios mit schönen Mosaiken. Curium war neben Paphos und Salamis in der Antike sehr bekannt, wurde jedoch 365 v. Chr. bei einem Erdbeben zerstört.

Der nächste Programmpunkt war die Kolossi-Burg, ein quadratisches Bau- werk mit Pechnase, Zugbrücke und zwei Kaminen.

Dann fuhr der Bus an der Küstenstraße von Limassol entlang, 15 km nur Hochhäuser, Souvenirgeschäfte, Bars, Restaurants und Hotels. Plötzlich wußten alle das sehr viel natürlicher wirkende Paphos zu schätzen, Limassol war ja ein Touristen-Bunker !!!

Als nächstes durfte Khiokitia, eine Siedlung aus der Jungsteinzeit mit den typischen Rundhäusern besichtigt werden.

Der letzte Programmpunkt war Lefkara, das für seine Stickereien berühmt ist. Auch Sonja und Kerstin konnten sich an den vielfältigen Mustern der Lefkaritika nicht sattsehen.

Außerdem verriet Gudrun der Reisegruppe noch das Rezept des Brandy Sour, was Sonja und Kerstin natürlich sehr interessierte.

Ein sehr wichtiger Bestandteil ist der Zitronensirup, der aus Zitronensaft und genausoviel Zucker besteht. Dazu kommt ein Viertel zyp. Branntwein, ein paar Tropfen Angostura Bitter, und das Ganze wird mit Sodawasser auf- gefüllt.

Als Botanik-Freaks entpuppten sich Sonja und Kerstin dann auch noch, sammelten eifrig Pfefferblätter und Eukalyptuskapseln und schnupperten an jedem Blättchen, das Gudrun ihnen vor die Nase hielt.

Beim Barbeque im Hotel wurden wieder die vier Briten taxiert, was ihnen gar nicht auffiel. Zum krönenden Abschluß genehmigten sich Sonja und Kerstin noch einen Brandy Sour in einer Bar. Dort lief jedoch MTV und die Heul- Schluchz-Lieder machten genauso depressiv wie das Kofferpacken. (Und Zitronentee zur moralischen Stärkung war auch nicht mehr vorhanden !!!

Ù Wääääääääääääh ! Schluck ! Schnief ! Huuhuuuu !

15. Tag E s t i a

(Göttin des Herdfeuers)

Der Abreisetag, er war da ! Die letzten Hamsterkäufe wurden auf dem Markt in Ktima getätigt (Sonny kaufte sage und schreibe 2 kg Pfirsiche !!!). Das Restgeld wurde in der geliebten und lang gesuchten Kirche Panayia Chrisso-

politissa gespendet.

Dann die Koffer in die Eingangshalle des Hotels geschleppt und Ù warten !

Am Flughafen angekommen und Ù warten ! Condor proudly announces, daß der Flug eine Stunde Verspätung hat Ù warten ! Um die Zeit totzuschlagen spielten Sonja und Kerstin Käse- kästchen, eine hochgeistige und sehr niveauvolle Beschäftigung.

Mit doch "nur" einer halben Stunde Verspätung schwangen sie sich dann in die Lüfte und landeten nach 2283 km braungebrannt und erholt in Mün- chen, wo sie von ihren Eltern herzlich empfangen wurden.Ù Ende gut, alles gut !!!

Epilog: Auf Zypern ist alles anders

-Die Uhren gehen eine Stunde vor.

-Der Mond ändert seine Wanderungsgeschwindigkeit und -bahn.

-Postämter und Kirchen werden über Nacht versetzt

-Der Pfefferstreuer hat mehr Löcher als der Salzstreuer.

-Die Kirche hat ihren eigenen Fernsehsender, die Klöster besitzen Hotels.

-Der Kaffee wird gleich mit Zucker aufgebrüht.

-Papier-Servietten sind perwollgewaschen und das Klopapier wird gefaltet.

-Die Mücken sind unsichtbar, die Stiche dagegen nicht.

-Das Radio führt ein Eigenleben, es schaltet sich selbst ein, aus und um.

-Niemand sagt so schön "finished" wie Kellner Billy.